Tagebuch




Der trockene Wasserfall


Gabi am "Dry Fall", Sun Lakes SP, WA

Heute fasse ich mich wirklich kurz:

Das Frühstück im Obertal Inn ist besser als erwartet - ganz viel Obst und sehr lecker.

Heute brechen wir etwas früher auf, kurz vor 09:00 Uhr sind wir bereits unterwegs. Zunächst geht es ein Stück des Weges von gestern retour, bis wir bei Orondo nach Osten auf den Highway #2 abbiegen. Die Straße ist sehr gut ausgebaut, wenn auch nur einspurig in jede Richtung.

Sie windet sich durch den Orondo Canyon spektakulär hinauf auf das Waterville Plateau. Das ist ein Hochplateau und schnell haben wir Stoppelfelder bis zum Horizont. Dazu blauen Himmel mit netten Wölkchen. Grund genug, anzuhalten und ein paar Bilder zu schießen.

Wir rollen dahin, haben zwischendurch kurz getankt und einen Coffee 2 go mitgenommen. Richtung Coulee City geht es meist geradeaus, dann führt die Straße wieder bergab zu den „Dry Falls“ am Sun Lakes SP. Es folgt eine Stunde Geologieunterricht. Hier hat die letzte Eiszeit einen mächtigen „trockenen geologischen Wasserfall“ (5 km breit und 120 m tief) hinterlassen. Wirklich sehenswert und die Filme im Visitor Center erläutern die Entstehung ganz prima. Während der Fluten bildeten die Dry Falls den größten bekannten Wasserfall der Erdgeschichte. Der geschätzte Abfluss entsprach dem Zehnfachen aller heutigen Flüsse weltweit. Unglaublich - aber wahr! Wer mag, googelt das mal …

In Spokane besuchen wir den Riverfront Park mit den Spokane Falls. Mitten in dieser Großstadt finden sich gleich mehrere Wasserfälle im Park. Wir laufen umher und besuchen später noch ein größeres Einkauszentrum und machen das obligatorische Foto vom dem lokalen Apple-Store.

So erreichen wir um kurz nach 15:00 Uhr unser heutiges Etappenziel Coeur d’Alene in Idaho. Wir checken ein und ich vesorge schon mal die ersten Fotos, während Gabi etwas ausruhen darf. Dann fahren wir hinab nach Downtown, werden im Visitor-Center von einer netten Dame beraten (um Gottes Willen, auch hier ist Oktoberfest) und schlendern dann an der Waterfront über den Boardwalk. Ein kurzer Spaziergang die Hauptstraße entlang rundet das Bild ab. Sehr netter Ort, hier ist Geld vorhanden. Die Yachten können sich sehen lassen und in der „blauen Stunde“ entstehen stimmungsvolle Bilder.

Zum Abschluss nehmen wir einen Sundowner in der Boardwalk-Bar mit Blick auf den See.

Dann fahren wir Richtung Motel und fangen unterwegs noch eine sehr leckere Pizza, die wir auf dem Zimmer verputzen. BBQ-Pizza mit home-smoked beef und rauchiger BBQ-Soße. Mal was anderes - klasse!

Nun wird noch etwas fern gesehen, auch morgen ist wieder eine längere Fahrt vorgesehen. habe gerade in der Lobby noch zwei kleine Tütchen frisches Popcorn abgestaubt, das mümmeln wir jetzt mit einem Glas Wein zum sinnlosen Fernsehprogramm. Entspannter Tag - ich sage mal: „gute Nacht!“

Tagesetappe: 354 Kilometer gefahren, 7,3 Kilometer zu Fuß
Übernachtung:
Days Inn by Wyndham Coeur d'Alene, ID

Stein & Twin Skinny - made my day


Gabi am Obertal Inn, Leavenworth, WA

Die Nacht war super und beim ersten Kaffee an der Theke in unserer Küche liest mir Gabi aus einer Broschüre die Beschreibung zu Leavenworth, unserem heutigen Ziel vor:

„Wind your way into Bavarian Leavenworth and the landscape shifts to an Alpine village - imagine you are in the high peaks of Europe! Leavenworth delivers high-voltage Bavarian memories: yodeling, schnitzel, oom-pa-pa music, lederhosen and dirndls-a-plenty. It’s even home to one of the world largest nutcracker collection at the Leavenworth Nutcracker Museum! …“

Sagte ich ja - wir fahren heute nach Bayern. Mal schauen, was die deutschen Auswanderer hier vor zig Jahren aufgebaut haben. Aber erst mal gehen wir frühstücken.

Frühstück ist wie gestern, perfekt, richtig gut! Wir unterhalten uns noch mit einem amerikanischen Paar über die Strecke von vorgestern, die die beiden heute in umgekehrter Richtung fahren - sie möchten gerne ein paar Ratschläge - haben sie bekommen. Wir gehen noch kurz runter zum Fluss, packen unsere 7 Sachen und verlassen schweren Herzens diese schöne Wohnung. Hatte kurz überlegt, die zu kaufen und hier zu bleiben …

Um 10:15 Uhr fahren wir los und wieder geht es durch schöne Landschaft mit 100 km/h (60 m/h) dahin. An einem schönen Aussichtspunkt stoppen wir, zu unseren Füßen erstmals: der Columbia River. Das hier ist nicht nur Aussichtspunkt, sondern auch Startplatz von Paragleitern. Einer ist zumindest gerade hier und wir quatschen kurz. Er könne am Wasser den Wind lesen, sagt er. Will meinen: wenn unten die Schattenwellen weg sind, geht es los. Wir beobachten ihn und machen ein paar Bilder. Bevor wir weiter fahren, stecke ich ihm eine meiner Urlaubs-Visitenkarten unter die Scheibenwischer. Wenn er sich meldet, bekommt er Fotos …

Am Lake Chelan halten wir nur kurz. Der See ragt 80 km in die Kaskaden hinein, ist bis zu 450 m tief und gilt als eines der schönsten Bootsreviere des Nordwestens. Wir machen ein paar Bilder und verabschieden uns wieder.

Nächster Stopp: Ohme Gardens County Park bei Wenatchee. Das Paar heute morgen beim Frühstück hatte gesagt, dass man diesem hügeligen botanischen Garten gerne ein Stündchen widmen kann. Kann man wirklich. Nicht außerordentlich spektakulär, aber schön, um sich die Füße zu vertreten.

So erreichen wir gegen 14:00 Uhr Leavenworth und damit eine Paralelgalaxie unseres bekannten Sternensystems. Das hier ist nicht von dieser Welt. Ich erspare euch Einzelheiten, weil das gegen die Genfer Menschenrechtskonventionen verstoßen würde. Nur so viel: Die Dame am Empfang im „Obertal Inn“ (hier wohnen wir) erzählt tatsächlich gerade bei unserer Ankunft ganz begeistert anderen Gästen, dass hier abends überall mehrere „oom-pa-pa-bands“ spielen würden. Ganz zu schweigen von den Restaurants mit Snitzel und Sweinshaksn. Schaut euch die Bilder an und wundert euch nicht - hier ist tatsächlich das ganze Jahr Weihnachten; Christbaumschmuck bekommen die Mädchen (in rosa) und die Jungs (in blau). Völlig gaga …

Ohne Alkohol ist das hier nur schwer zu verdauen und daher genehmigen wir uns in der „Blue Spirits Distillery“ ein Mini-Tasting von einem Gin, einem Bourbon-Whisky und einem Rum. Wir wollen ja nicht aus der Übung kommen.

Am Ende flüchten wir uns in den Waterfront Park, einen kleinen Urwald am Wenatchee River - immerhin!

Apropos immerhin: Immerhin habe ich nun schon die Fotos bearbeitet und hochgeladen und das Tagebuch ist auch fertig. Gleich gehen wir nochmal raus und fangen die Stimmung ein. Wenn da eine Kapelle „oom-pa-pa“ spielt, schreie ich - oder mache mein Jodeldiplom …

Super Abend - kein „oom-pa-pa“, ganz im Gegenteil. Wir finden das „Stein“ und Live-Music lockt uns hinein. Wir hatten echt keinen Bock auf eine dieser Sauerkraut-Kneipen oder „Sausage-Gardens“ mit überteuerten Preisen und möchte-gern-Bierseligkeiten. Im „Stein“ gibt es ein halbes Hähnchen mit „satt Pommes“ für Gabi und ein Mega-Sandwich, ebenfalls mit reichlich Pommes für mich. Dazu 50 Sorten Bier vom Fass (!!) - so viel, dass die Sorten auf drei riesigen Bildschirmen beschrieben werden.

Die Live-Muke ist vom allerfeinsten: „Twin Skinny“ geben alles. Sie spielt Rhythmus-Gitarre vom Feinsten und singt sich die Seele aus dem Leib. Gabi meint, sie habe „Dreck gefressen“. Er untermalt alles mit seiner E-Gitarre - vom bluesy Slowhand-Vorbild bis zum Flinkefinger - er hat es ebenfalls drauf. Und das ist wirklich erste Klasse. Wir verlängern um noch ein leckeres Bier und noch eins bis „Sendeschluss“ um 21:00 Uhr. Suuper Abend! Das hätten wir hier echt nicht erwartet. Leckeres Essen, frisches Bier (& Cider) sowie volle Röhre Live-Musik. Made my day!!

Tagesetappe: 182 Kilometer gefahren, 9,5 Kilometer zu Fuß
Übernachtung:
Obertal Inn, Leavenworth, WA

Relaxed im Methow Valley


Gabi am Beaver Pond Trail, Sun Mountains, WA

Das hat super geklappt mit dem Upload der Website in der Lobby, die gleichzeitig Frühstücksraum ist. Rasend schnelles Internet - Joe will unseren WIFI-Router gleich mal rebooten, damit es auch oben wieder gut ist.

Das Frühstück verdient das Prädikat „außergewöhnlich“! Jede Menge liebevoll angerichtete und „homemade“ produzierte Köstlichkeiten - mit Serviervorschlägen. Gabi bastelt sich nach Anleitung einen Joghurt mit Cereals und frischen Früchten - selbst die Mango wird hier frisch aufgeschnitten. Ich habe einige Bilder gemacht, die später hochgeladen werden. Mir haben es die Quiches (meat & vegetarisch) ebenso angetan wie das frische Obst oder Bagels mit hausgemachtem Lachs-Pfeffer-Frischkäse - s-a-g-e-n-h-a-f-t!!

Nun schauen wir mal, was der Tag so bringt und was wir unternehmen werden. Auf dem Programm steht auf jeden Fall eine kurze Rückfahrt nach Winthrop, einem kleinen Westernstädtchen, das wir gestern Abend nur durchfahren haben.

Und so steuern wir das kleine Örtchen Winthrop auch gleich als erstes an. Ein gemütlicher Bummel über die Haupstraße ist jetzt genau richtig. Es gibt einige nette Läden und während ich fasziniert so was wie ein „Bat-Mobil“ fotografiere (ist in Wirklichkeit ein heftig aufgemotztes Trike mit 175 PS) gerät Gabi in den „Cascades Outdoor Store“. Ich folge ihr und mache Sie auf ein paar schöne Wanderschuhe aufmerksam. Es ist „September-Sale“ und auf Schuhe gibt es 20%. Gabi schlüpft rein und meint, dass die wie angegossen passen und quasi alleine laufen. Zum Beweis hüpft sie zur Freude der Verkäuferin etwas durch den Laden. Gekauft!

Nächstes Ziel ist die North Cascades Smokejumper Base, die erste ihrer Art in den USA und gegründet im Jahre 1939. es sind nur 8 Meilen bis dort und wir hatten uns das schon zu Hause als Option notiert. Es ist ein größeres Areal - ein Flugplatz halt mit einigen Hangars. Wir steuern eine Hütte an, werden freundlich begrüßt und noch bevor ich richtig fragen kann, was es denn hier genau zu sehen gibt bzw. was wir sehen dürfen schallt über das ganze Gelände ein „Tour-Guide to the office please, Tour-Guide to the office!“

Zack - geht die Türt auf und Brian, ein junger Strahlemann schüttelt unsere Hände. Er sei unser Tour Guide und werde uns die Base zeigen. Er schlendet mit uns in eine nahegelegene rote Halle und zeigt und erklärt uns alles - obendrauf gibt es noch einen kleinen Film, damit wir auch mal sehen können, wie die Smoke Jumpers in Action sind.

Ich kläre es mal auf: das sind Firefighter, also Feuerwehrmänner, die mit dem Fallschirm über vorwiegend Waldbrandgebieten abgeworfen werden und dann dort im unwegsamen Gelände die Löscharbeiten durchführen. Meist muss das ohne Wasser gehen, dafür haben Sie Äxte und Motorsägen dabei, um die Brandherde einzudämmen. Sehr, sehr harte Arbeit. Und die schleppen Taschen und Gewichte mit sich rum - außerirdisch! Im Film sieht man, wie die mit den Fallschirmen in die hohen Bäume knallen, oft hängen bleiben, sich losschneiden müssen und dann ihren Knochenjob machen. nach dem Einsatz packen sie alles zusammen und kämpfen sich zur nächsten Straße durch. Das kann auch schon mal dauern. Kaputte Fallschirme werden dann an der alten Pfaff-Nähmaschine, die hier steht, wieder Instand gesetzt. Wirkungsradius: der gesamte Nordwesten, aber auch schon mal Oregon und Kalifornien. Ihr Vorteil: sie sind bei Entsehungsbränden sehr schnell vor Ort und können Schlimmeres verhindern.

Auf langen Tischen werden die Fallschirme wieder gefaltet und anschließend in Fächer verstaut. 29 Feuer haben sie dieses Jahr bereits bekämpft. Meine Frage nach einer Tipp-Box wird vehemend abgelehnt - es sei Ehrensache, Besuchern zu zeigen, was sie so machen. Beeindruckende Stunde mit Privatführung für uns beide, kann man nicht anders sagen.

Nächstes Ziel ist die Sun Mountain Lodge, ein hoch in den Bergen gelegenes Hotel, das man mal gesehen haben muss, nicht nur wegen der schönen Aussicht von dort. Hinter den letzten Zimmern liegen Deer und auch ein zutraulicher Vogel lässt sich von Gabi gern fotografieren.

Nun noch etwas Bewegung, damit die müden Knochen nicht einrosten. In der Nähe ist der Chickadee Trailhead, Startpunkt vieler Wanderwege. Wir starten auf dem Rodeo Trail und biegen nach einigen Kilometern auf den Beaver Pond Trail ab, der uns zurück zum Ausgangspunkt bringt. Wir treffen keine Menschenseele, es ist total still hier, nur die Stimmen des Waldes sind bei uns. Da flattern kleine Vögelchen, Mäuschen und Chipmunks huschen umher. Dazu säuselt der Wind in den Birken. Nach Bären halten wir Ausschau, sehen aber keine. Farbenfroh ist alles und am Ende öffnet sich der Blick dann auch einmal ganz auf den bisher von Bäumen und Schilf verdeckten Tümpel der Biber. Traumhafte Ausblicke!

Zurück nach Twisp und dort zu „Hank’s“, einem Supermarkt, wo es laut Joe die besten Steaks in ganz Washington State gibt. Die sehen wirklich gut aus und so ein richtig schönes 280-Gramm-Steak kostet keine 5 Euro. Wir ergänzen dieses um eine komplette vorgegarte Baby-Back-Rib, Salat und ein Baguette. Ab zum Hotel: BBQ!

Der Grill ist ungefähr doppelt so groß wie unserer zu Hause, funktioniert aber so ähnlich. Wir sitzen auf der Terrasse und während die Ribs Temperatur nehmen verputzen wir den Salat. Dann die Spare-Ribs und zur Krönung teilen wir uns das Steak. Meine Dose Bier fasste mal 710 ml „Coors“ - empty! Während des Essens hat es sich zugezogenund der erste Donner grollte über uns. Als der letzte Bissen verspeist und wir gerade wieder in der Suite sind fallen dicke Tropfen Regen. Das ist aber nur von kurzer Dauer. Dennoch: perfektes Timing, inzwischen ist es 18:00 Uhr. Gabi rollt sich auf die Hollywoodschaukel draußen, ich krieche ins Bett und schaue nach längerer Zeit mal wieder eine Folge „Grey’s Anatomy“ aus Staffel 13 auf dem iPhone. Danach mache ich noch etwas die Augen zu.

Nun ist es 21:15 Uhr, die Fotos sind ausgesucht, bearbeitet und in die Homepage montiert, das Tagebuch ist auch fertig. Ich habe gerade den Gasofen angemacht. Nun gönne ich mir noch ein Glas Wein vor dem Fernseher oder auf dem Balkon - wir genießen unsere Edelunterkunft in vollen Zügen.

Morgen fahren wir nach Bayern. Glaubt ihr nicht? Wartet ab!!

PS: ich will zu Hause so einen Kühlschrank wie hier, im Eisfach machen sich die Eiswürfel von alleine, Zauberei …

Tagesetappe: 76 Kilometer gefahren, 9,4 Kilometer zu Fuß
Übernachtung:
Twisp River Suites, Twisp, WA

Hiking North Cascades NP


Jürgen auf dem Thunder Knob Trail, North Cascades NP, WA

Das ist mit Abstand eine der komfortabelsten Arten, Tagebuch zu schreiben. Im Hoody an der Theke in der Küche - mit dem ersten Kaffee des Tages in der Hand (weiterhin schreibe ich am Morgen des Folgetages, also nun am 19.09.) - total chillig. Wie es dazu kam lest ihr hier:

Zunächst wird Tagebuch geschrieben und gefrühstückt - das ist hier durchschnittlich. Überschaubares Angebot und Plastikgeschirr - nicht zu vergleichen mit Seattle (allerdings auch preislich eine ganz andere Liga).

Gegen 09:30 Uhr brechen wir auf, fahren das kurze Stück die Interstate 5 zurück nach Süden und biegen dann wieder auf den Hwy. #20 Richtung Osten ab. Wenige Meilen weiter darf sich die Straße „North Cascades Highway“ oder „The Cascade Loop Scenic Highway“ nennen - zu Recht!!

In Sedro-Woolley stoppen wir kurz, nicht nur um einmal die Mainstreet rauf und runter zu gehen (viel mehr gibt es hier auch nicht). Interessant für uns ist die Tourist Information, die jede Menge Infomaterial zu den nächsten Tagen bereit hält - das stand auf dem Plan. Die junge Frau berät uns auch sehr umfassend. Wichtigste Botschaften für heute: Gratulation zu diesem Bilderbuchwetter (es hat die vergangenen 4 Wochen geregnet!). Zusätzlich: den Umweg zum Baker Lake (das wäre eine Option gewesen, die wir nicht einzuschätzen wissen) können wir uns schenken - so toll ist der nicht, verglichen mit all den anderen Dingen, die uns heute erwarten.

Die Straße schlängelt sich hervorragend ausgebaut durch dichten Wald und dann wieder lichte Hügellandschaften. Das Laub beginnt sich zu verfärben, immer wieder tauchen am Horizont hohe Berge auf. Die meisste Zeit geht es zudem am Skagit River entlang, was die Stimmung noch verbessert. Traumhafte Straße - und das ändert sich nicht die nächsten 100 Meilen bis heute Abend! Im Ernst: das war eine der Top-Traumstraßen, die wir bislang im Westen gefahren sind.

Unser Mazda CX-5 schnurrt auch mühelos. Die Ausstatttung kommt unserer zu Hause schon sehr nahe. Klasse ist auch hier (ganz besonders) die automatische Abstandskontrolle zum Vordermann (wenn es mal einen gibt). Tempomat auf 60 Meilen/h einstellen und rollen lassen, bremsen und beschleunigen übernimmt die Automatik. Herrlich! Dazu singt Joan Baez aus ihrem neuesten Album über die Bose-Anlage. „Whistle down the wind“ hatte ich im Flieger gehört und dann gestern aufs iPhone geladen - Apple Music sei Dank!

Immer wieder müssen wir am Wegesrand anhalen, zu schön sind die Panoramen. Schneebedeckte Berge tun sich über dem Skagit River auf, eine Mini-Wildlife-Chapel duckt sich in den Schatten, während über dem Fluß die sonnendurchtränkten Äste leuchten.

Wir erreichen das North Cascades Visitor Center. Im Eingang begrüßen uns ein Grizzly und ein Schwarzbär - ausgestopft, leider! Wir erkundigen uns nach den Möglichkeiten und der freundliche Ranger stellt unser Tagesprogramm zusammen, Kartenmaterial inklusive. Gabi sichtet wie immer den Shop und findet Sticker für unseren Koffer etc. beim Bezahlen entwickelt sich ein langes Gespräch mit der freundlichen Verkäuferin, die auch eine Nikon D 750 hat. Sie zeigt uns Bilder auf ihrem iPhone - sie liebt die Makrofotografie. Ich zeige ihr den blonden Schwarzbären aus dem Yosemite Valey 2016 und sie schreit auf, packt sich mein iPhone und rennt zu ihren Kolleginnen und Kollegen und muss das Foto auch noch einigen anderen Gästen zeigen. Zum Abschluss erkundigt sie sich, ob wir nicht eine Website hätten? Grins - ein Fan mehr …

Direkt am Visitor Center beginnt der „River Loop Trail“. 3 Kilometer durch dichten Urwald, aber über sehr schönen Waldboden liegen vor uns. Moose, Flechten und Farne überall. Da, wo der Wald dicht zugewachsen ist, wird es augenblicklich sehr kühl - angenehm. Hin und wieder stechen aber auch die Sonnenstrahlen durch - bezauberndes Licht. Am Fluss rettet Gabi eine kleine Raupe mit einem Stöckchen. Sie war wohl hineingefallen und lässt sich zum Dank kurz portraitieren.

Die Zeit vergeht wie im Fluge, unsere Bewegungsziele sind für heute schon fast erreicht.

Auf der Weiterfahrt gibt es immer wieder schöne Ausblicke, z.B. auf einen Staudamm oder türkisblaues Wasser. Wir halten hier und da an und erreichen dann eine weitere Empfehlung des Rangers: den „Thunder Knob Trail“ am Diabolo Lake. Der hat schon eine andere Kragenweite als die Runde am Fluß heute Vormittag. 3 km hin und weitere 3 km zurück soll der Trail lang sein. Nun ja, er ist etwas länger - aber jeder Meter ist fantastisch.

Der Weg zieht sich in ewigen Sepentinen den Berg hinauf. Wald, Farn, Flechten, Moos schön wie auf dem vorigen Trail. Teilweise geht es aber auch ganz schön über Stock und Stein. „A breathtaking view“ am Aussichtspunkt ist uns versprochen. Atem(be)raubend ist aber erst mal die Strecke. Unser Abendessen ist schon auf dem Hinweg verdient - ausschließlich bergauf. Ist die Aussicht auf den Diabolo Lake „breathtaking“? Entscheidet selbst - uns hat es sehr gefallen. Auf dem Rückweg sehen wir noch einige „Deer“ auf der Lichtung äsen - friedliche Stille des Nationalparks.

Unten angekommen sind wir richtig ausgepowert - wir sind ja auch mal wieder zügig unterwegs - das war eine echte Bergwanderung, klasse!

Nächste Stopps: der „Diabolo Lake Overlook“ und der „Washington Pass Overlook“. Letzterer liegt wirklich ganz oben auf der Passhöhe und es kommt schon das Abendlicht durch. Ich mache ein Fotos, da spricht mich eine Gruppe von 4 Senioren-Ehepaaren an: „Das ist aber mal eine Kamera! Wo kommst du her? Was machst du beruflich? Deutschland? Da haben wir Vorfahren (kennt man ja)! Drei von ihnen sind Geschwister, ihre Mutter kommt aus Deutschland. Die hatte 20 Kinder, von denen aber nur 13 erwachsen wurden. Mehr als die Hälfte ist in die Staaten ausgewandert und die 8 haben vor einigen Jahren nach dem Tod der Mutter nochmal einen Trip noch Europa gemacht. Sie erzählen ihre Geschichte, wir müssen erläutern, welche Ziele wir auf unserer Runde noch vor uns haben. Am Ende möchte Brian noch ein Foto mit mir haben - das war ein Bild, wie die alle mit ihren Handys gefuchtelt haben. Gabi konnte die Szene nicht einfangen - das ging einfach zu schnell. Aber ein Bild von Brian und mir hat sie doch geschossen.

Um 18:00 Uhr erreichen wir Twisp, ein kleines Nest im Methow Valley (sprich: Metthau). Wir checken ein im „Twisp River Suites Hotel“. Die nette (und wie sich dann herausstellt, leicht durchtriebene) Besitzerin zeigt uns den Frühstücksraum, die 700-DVD-Sammlung, an der wir uns bedienen könnten, die Terrasse mit Hollywoodschaukel, großem Gasgrill (zur Mitbenutzung) und die Hängematten etc. direkt am Fluß, der hier unmittelbar vorbei fließt.

Dann die Zimmer, es gibt zwei Optionen: Sie führt uns in ein Gemach (naja, der Sprachgebrauch sagt „Suite“ - aber „Gemach“ trifft es besser). Langer Flur, perfekte Küche, voll eingerichtet, riesiger Kühlschrank, Theke und Barhocker. Daran anschließend: Wohnzimmer mit TV und Ledersesseln, dahinter ein Balkon mit eigener Hollywoodschaukel (die Gabi ja so mag) und Blick auf den Fluss. Alles schön mit Moskitonetzen geschützt. Dazu ein riesiges Schlafzimmer und ein schönes Bad. Super! Aber: das haben wir doch nicht gebucht? Nein!! Ich zeige euch, was ihr gebucht habt: „das hier!“

„Das hier“ ist nett, aber verglichen mit der Suite eher die Besenkammer von Harry Potter unter der Treppe. Auf meine Frage nach dem Aufpreis für die Suite hat die Dame, der jetzt kleine Teufelshörnchen gewachsen sind, nur gewartet: „50 $ die Nacht“.

Wir bleiben zwei und so sitze ich jetzt an dieser wunderbaren Theke. Gestern Abend haben wir uns in der Pizzeria gegenüber eine „Meat Lovers Pizza“ geholt und sie mit unserem Weißwein hier an der Theke verputzt. Dazu gab es noch Nachos mit Salsa. Über die Pizzeria und die dort schmausenden Eingeborenen (ich sage nur „happy birthday granny“) sowie die beiden Cops mit Hüftgürteln, so schwer beladen, das Arnie Schwarzenegger in die Knie gegangen wäre, könnte ich nun eine weitere Seite schreiben - schenke ich mir. Den Leitspruch von „Hometown Pizza“ finde ich aber gut: „We don’t serve fast food. We serve good food as fast as we can!“

Die vielen kleinen Dinge, die diese Suite auszeichnen, kann ich gar nicht alle aufzählen. Stimmungsvolle Lampen überall, kleine Taschenlampen und sogar Lesebrillen in verschiedenen Stärken. WIFI ist vorhanden, reicht aber bislang nicht aus, um die Website hochzuladen. Vielleicht klappt das später in der Lobby …

Der Abschlusswein in der Hollywoodschaukel unter dem Sternenzelt mit dem rauschenden Fluss zu unseren Füßen war dann das i-Tüpfelchen auf den perfekten Tag. Und soll ich was sagen: heute genießen wir unsere Suite, werden wahrscheinlich grillen und sicher noch den ein oder anderen Ausflug machen. Gabi und Tiny sitzen mit Kaffee draußen in der Hollywoodschaukel - ich geh mal duschen. Bis denne!

Tagesetappe: 269 Kilometer gefahren, 16,1 Kilometer zu Fuß
Übernachtung:
Twisp River Suites, Twisp, WA

"Go north!"


Gabi in der Front Street, Coupeville, Whidbey Island, WA

Nach dem 27. Aufwachen mache ich die Website fertig, was insbesondere das Tagebuch betrifft. Die Fotos kriege ich noch in Etwa gemanaged abends, für geistige Tätigkeiten reicht die Kraft noch nicht.

Mein Früstück habe ich mal fotografiert, weil ich das so lecker fand. Anschließend gibt es mit Obst, Müsli und Joghurt zumindest noch was Gesundes oben drauf. Gabi studiert immer die örtlichen Prospekte, Stadtmagazine etc. So wundert es mich kein bischen über ihre Frage beim Frühstück: „Liegt Freemont eigentlich auf unserem Weg heute - da wohnt ein Troll unter einer Brücke?“ Es spricht für mich, dass ich nur mein iPhone zücke, kauend nicke und nicht weiter nachfrage - die Sache ist geritzt: wir besuchen den Troll.

Vorher muss aber noch einer der Aussichtspunkte mit einem bekannten Blick auf Seattle angefahren werden: Kerry Park. Es sind nur einige Meilen vom Hotel hoch auf den Hügel. Es war uns gestern schon aufgefallen im Shutlebus, heute kann ich bestätigen: an manchen Stellen kann Seattle bezüglich der Straßensteigungen tatsächlich mit San Francisco mithalten. Junge, ist das steil!

Am Kerry Park treffen wir zwei deutsche Jungs, denen ich kurz den Hinweis gebe, dass es nicht die beste Idee ist, die Nikon dauerhaft im manuellen Modus zu betreiben - jedenfalls nicht, wenn man anfängt zu fotografieren. Ich mache ein paar Bilder für sie und einer der beiden lichtet auch Gabi und mich mal ab. Dieser Blick wird übrigens auch bei Grey’s Anatomy ständig gezeigt. Und das Wohnhaus der Greys (das Filmwohnhaus) liegt nur 5 Minuten Fußweg von hier. Das schenken wir uns aber, unspektakulär und in Privatbesitz. Ich würde mich auch bedanken, wenn ständig Touristen bei mir vor der Haustür stehen und Fotos machen, nur weil die Fassade mal im Fernsehn war. Die einzige Ausnahme habe ich 2012 bei der Garage von Steve Jobs gemacht: da konte ich nicht wiederstehen.

Nun aber zum Troll: Navi einstellen und ab geht’s. 10 Minuten später sehen wir ihn sitzen. Imposante Größe und irgendwie nett, wie er da unter der Freemont Bridge sitzt. Gabi und Tiny Little Bear, der uns natürlich wieder begleitet, wollen mit auf’s Bild.

Durch ein paar schmale Seitenstraßen, in diesem hübschen Wohnviertel, geht es auf die Schnellstraße und schon bald rollen wir hinab zum Hafen von Mukilteo zur Fähre. Der Mann am Kassenschalter fragt, ob ich die Person neben mir mitnehmen möchte (er fragt, um den Preis festzulegen). Als er mein dummes Gesicht sieht, lacht er schallend und meint, dass ich wohl nie darüber nachgedacht habe, dass es eine Option wäre, sie einfach hier zu lassen? Komischen Humor hat der Kerl - wir lachen über die Situationskomik aber alle drei herzlich. Also 16,50 $ für das Auto und uns beide. Er sagt noch „perfect timing, lane 11!“ dann fahren wir in Reihe 11 vor.

Und tatsächlich: nur 3 Minuten später setzen sich Reihe 1 und 2 in Bewegung: boarding! Unfassbar, wie schnell hier hunderte von Autos auf die Fähre fahren, große Trucks inklusive. Nach 10 Minuten legt die Fähre ab. Wir stehen in Poolposition sehr schräg an der Seite, können von hier aber schön Fotos machen. 20 Minuten Fahrt, dann sind wir auf Whidbey Island. Entladen geht noch schneller.

Die Gegend hier ist voll von Fjorden und Inselchen. Whidbey Island ist etwas größer, die Orientierung ist aber einfach. Nach Norden führt nur eine Straße und wir fahren gemütlich durch eine wunderschön hügelige Landschaft. Viel Wald, immer wieder Blicke aufs Wasser und kaum Orte. So schön!

In Coupeville an der Penne Cove suchen wir einen Parkplatz und schlendern über die Front Street, vorbei an netten Läden, auf einen alter historischen Pier. Den laufen wir bis zum Ende - hier gibt es weitere Geschäfte und Restrooms. Draußen am Pier hängt eine große Glocke, die man läuten soll, wenn mal einen Wal sieht - wir klingeln nicht. Dafür lachen wir über das Schild, dass vor den kreuzenden Ottern warnt.

45 Minuten Aufenthalt und Beine vertreten sind gut investiert für das kleine Örtchen. Dann heißt es wieder: „Go North!“ Ein Safeway Supermarkt am Wegesrand kann nicht ignoriert werden. Wir machen unseren ersten Einkauf. Wasser muss her, Nachos und Salsa, Obst für unterwegs, Zewa-Rolle, Wein - was man in den nächsten Tagen halt so benötigt. Und ein paar Sandwiches für gleich. Immer wieder schön, in diesen riesigen Supermärkte zu schauen, was man noch kaufen könnte. Besonders sehenswert ist dabei die riesige Auswahl an bereits vorkonfektionierten Mahlzeiten (viel, viel doller als bei uns) und die Qualität sowie die günstigen Preise für Fleisch und Seafood (wäre das bei uns so, würde der Grill gar nicht mehr ausgemacht). Steaks wie gemalt!!

Am nördlichen Ende von Whidbey Island befindet sich der Deception Pass State Park mit unzählichen Wandermöglichkeiten. Wir entrichten die Gebür von 10,00 $ und fahren zur West Beach, wo wir uns auf einen der riesigen Baumstämme am Strand setzen und unsere Sandwiches verspeisen. Dann wandern wir den „Sand Dune Interpretive Trail“ entlang - knapp 2 Kilometer Weg zunächst durch Regenurwald, dann am Wasser entlang durch die Dünen. Viele Vögel sind zu sehen.

Kurze Weiterfahrt zur Deception Pass Bridge. Auto abstellen und zunächst Bilder auf, anschließend unter der Brücke vom der beeindruckenden Stahlkonstruktion machen. Da ich die Bilder gestern Absnd schon hochgeladen hab weiß ich jetzt schon, dass Johanna das Bild unter der Brücke sehr mag - danke für die Mail (und all die anderen lieben Nachrichten aus der Heimat - schön, dass euch die Berichte und Bilder wieder gefallen)! Es lohnt sich ja doch, etwas Mühe in die Bildbearbeitung zu setzen - das war schon ziemlich duster da; sieht man auf dem Foto jetzt nicht mehr. Und Johanna: du hast die Bilder von gestern bereits gesehen - Gabi nicht!

Auch hier warten diverse Trails; wir entscheiden uns für den „Goose Rock Perimeter Trail“. Sehr gut, nach der Hälfte aber extrem unwegsam. Wir machen eine weitere Kurzausbildung zur Bergziege und klettern den steilen, schmalen Pfad hinauf - Tiefblicke aufs Wasser inbegriffen. Oben geht es irgendwo nicht mehr weiter und wir finden glücklicherweise einen alternativen Weg zurück, ohne den ausgesetzten Hang wieder runter zu müssen - das wäre nicht spaßig gewesen. Das Licht schwindet langsam und der Wald ist wirklich wild gewachsen. Wenn jetzt jemand den Soundtrack von „Jurassic Park“ abspielt, fang ich an zu rennen.

Tolle Wanderung - jetzt sind wir aber richtig platt. Weniger körperlich aufgrund der Wanderung, aber der Jetlag sitzt immer noch in den Knochen - wir werden älter.

Über Hwy #20 und die Interstate 5 erreichen wir Bellingham um 17:30 Uhr im schönsten Abendlicht. Das Bett ruft heftig. Einfach schnell ne Pizza holen, ein Glas Wein dazu und dann schlafen gehen? Zu früh!!!

Es wäre auch zu schade, der Stadt überhaupt keine Chance zu geben. Also rein ins Auto, wir fahren zur Waterfront. Hier muss man Seafood essen, meinen wir. Schnell ist das „Loft Seafood Restaurant“ gefunden und ich muss sagen: das Essen war sensationell. Man muss sich auch mal was gönnen - Gabi nimmt Seafood mit Mac’n Cheese, ein sehr würziges Nudelgericht. Ich bin mit „Seafod Chimichanga“ zumindest sprachlicher noch exotischer. Es handelt sich um ein mexikanisch inspiriertes Gericht. Seafood in einer Käsesoße eingerollt in einen krisp gebackenen Maistaco. So eine Mischung aus Burrito und Calzone, wenn ihr wisst, was ich meine. Dazu leckere Soßen und ein großer Salat. Köstlich!! Der Blick auf den Jachthafen und den Sonnenuntergang tun ein Übriges.

Als wir fertig sind, ist die Sonne untergegangen und ich schieße noch ein paar Fotos für die Seele. Nun aber zurück ins Motel. Gabi tut so, als sei sie noch wach - schlechte Schauspielerin. Ich suche noch die Fotos aus und lade sie hoch. Um 21:20 Uhr ist es aber auch für mich vorbei. Sendeschluss. Die Nächte werden nun immer besser und das Tagebuch von gestern ist jetzt auch fertig. Ein neuer Tag kann kommen!

Und mir fehlte bis jetzt der Titel für diesen Tag, ich nehme einfach „Go north!“, denn das war das Motto gestern und Bellingham ist der nördlichste Punkt der USA, den wir bislang erreicht haben.

PS: Ich ordne die Fotos systematisch und ortsbezogen zu. Daher finden sich immer wieder auch mal Bilder am „Vortag“, weshalb man dort auch hin und wieder vorbei schauen sollte. Die Bilder vom Kerry Park und Troll sind z.B. noch unter „01 Seattle“ zu finden, das Album von gestern beginnt an der Fähre nach Whidbey Island …

Tagesetappe: 195 Kilometer gefahren, 16,3 Kilometer zu Fuß
Übernachtung:
Coachman Inn, Belingham, WA

Oh what a day!


Gabi auf dem Glasboden der Space Needle, Seattle, WA

Welch ein Tag war das? Seattle gefällt uns sehr! dabei waren die Aussichten gar nicht rosig. Regen war angesagt - zumindest bis nachmittags. Und ja: der Morgen war zunächst grau wie der Vorabend, doch zeigte sich die Sonne mit blauem Himmel bereits um 10:30 Uhr und dann blieb es trocken. Klasse, denn das erweiterte unsere Möglichkeiten in nicht erhoffter Dimension.

Eins vorweg: kurz kann dieser Bericht nicht werden.

Nachdem wir am frühen morgen die Website gepflegt haben begeben wir uns zum Frühstück. Das bietet alles, was das Herz begehrt - so gestärkt kann der Tag kommen. Der Shuttle bringt uns um 09:00 Uhr zum Pike Place Market, dem wohl bekanntesten „Bauernmarkt“ Seattles gleich an der Waterfront. „Bauernmarkt meint hier, dass die Produzenten selbst verkaufen und zwar alles: Fisch, Meeresfrüchte, Blumen, Obst, Seife, Gewürze, Bilder etc.. Sehenswert sind die Meeresfrüchte, besonders die Jumbo-Lobster! Mit einem Verkäufer, der sich die Wartezeit auf neue Kunden damit verkürzt, Bass zu üben, quatschen wir eine Zeit lang.

Wir schlendern herum und machen Bilder. Gut, dass der große Komplex überdacht ist, denn draußen regnet es leicht. Einmal wagen wir uns raus - brrr. Anstelle von Liebesschlössern haben Paare sich hier mit Plaketten am Zaun verewigt - alles schön einheitlich.

Ein erster Höhepunkt an einem Fisch- und Meeresfrüchtestand. Die Verkäufer drehen total ab. Ein junger Kerl lässt sich gern mit jungen Mädels fotografierne und hüpft dafür sogar auf die Theke um zu posen. Kurz darauf wirft er einen großen Fisch quer durch den ganzen Stand zu einem anderen Verkäufer - der wirft zurück. Auf den Bildern muss man schon genau hinsehen, um den fliegenden Fisch zu sehen. Eine Touristin aus einer Gruppe soll „angelernt“ werden, bekommt ganz genau gezeigt, wie sie stehen muss. Mehrfach verfehlt sie den Fisch, den dann ein anderer Typ mit Hechtsprung fängt. Doch dann hat sie ihn und präsentiert der johlenden Meute stolz ihren Fang. Zwischendurch kommt per Schüppe neues Eis auf den Fisch - er muss ja frisch bleiben.

Auf mehreren Etagen gibt es hier wirklich alles zu kaufen - ich kann gar nicht alle Fotos hier hochladen. Sogar eine Brauerei finden wir hier. In einer Seitengasse kleben zigtausende Kaugummis an der Wand - irgendwie eklig, aber bunt. Immerhin scheint ab jetzt die Sonne und die Welt sieht plötzlich aus, wie aus dem Ei gepellt. Vor dem ersten Sturbucks-Cafe aller Zeiten stehen die Leute Schlange - wir trinken später einen Milchkaffee in einem der anderen zahllosen Starbucks-Läden hier in der Stadt.

Irgend ein findiger Spaßvogel hat eine Regenrinne so umgebaut, dass sie als Blumenvase dient. Klar: Bewässerung von oben kommt hier ja oft genug von alleine. Die Seitengassen sehen eher aus, wie in einem schlechten Hollywood-Streifen. Hier schwirrt nachts bestimmt auch Batman rum.

Am Seattle Art Museum steht die riesige Statue eines hämmernden Mannes. Unermüdlich geht der Hammer auf und ab.

Bei Miner’s Landing imponiert das „Seattle Great Wheel“, das Riesenrad. Innen gibt es Meeresfrüchterestaurants bis zum Abwinken und vieles mehr. Wir schlendern die Waterfront daher, machen Fotos mit dem Riesenotter und Bigfoot, dem Gabi in die Nase zwickt. Machen wir auch nur im Urlaub, so was …

Im Pioneer Square National Historic District finden wir schöne Backsteinbauten und nette Plätze. Zu Füßen von Indianerskulpturen bzw. Totempfählen schlafen Obdachlose. Ein Mahnmal für im Einsatz verstorbene Feuerwehrleute macht nachdenklich. Apropos löschen: Durst haben wir jetzt! Also begeben wir uns zum ältesten Saloon (Seattles?) und trinken dort Bier (weia, das local IPA knipst dir gleich die Lampen an), Margaritha und essen ein paar „Hot Wings“.

Bei dem Wetter lohnt eine Hafenrundfahrt, die wir nun in Angriff nehmen. Eine Stunde lang zieht die Skyline Seattles an uns vorbei. Wir drehen eine große Runde durch den Pudget Sound, wie das Gewässer hier vor der Stadt heißt. Fähren verkehren hier wie bei uns Busse, nur dass du hier dein Auto gleich mitnehmen kannst. Informationen bekommen wir aus erster Hand - unsere „Erzählerin“ weiß alles über die Stadt. Auf einem Sandtrailer haben es sich Seelöwen bequem gemacht. Neben der Sykline beeindruckt der Hafen mit seinen gigantischen Kränen und Schiffen. Die weißen Dinosaurier-Riesenkräne werden aus China in einem Stück angeliefert und aufgebaut - auf ein Containerschiff der fotografierten Größe passen 18.000 (!!) Container.

Wir wandern weiter die Waterfront entlang, diesmal in Richtung „Needle“. So langsam spüren wir unsere Beine. Ein Restroom muss her, also nehmen wir noch ein Glas Bier und Wein im Irish Pub. Dann spazieren wir durch den Skulpturenpark (Olympic Sculpture Park) und von dort zur Space Needle. Gabi hat herausgefunden, dass hier um die Ecke auch einige Folgen von Grey’s Anatomy gedreht wurden. Die amerikanische Krankenhausserie verfolge ich seit Monaten bei Amazon Prime. Gabi schlägt vor, ich solle nach der Pensionierung noch Medizin studieren - für die bereits gesehenen rd. 250 Folgen bekomme ich bestimmt 2 Semester und einige Scheine anerkannt.

Jetzt aber: Tickets kaufen und in 45 Sekunden die 210 Meter hoch zur Spitze der Space Needle sausen. Das können wir uns bei dem Wetter nicht entgehen lassen. Von oben hat man einen tollen Blick über die Stadt. Gabi lehnt sich an die Glaswand - uuh! Eine Etage tiefer wird es noch heftiger: hier dreht sich der weltgrößte und -höchste Glasboden, angetrieben von einem 1 PS-Motor um die Achse der Needle. Das ist schon spooky, dort oben zu stehen und die Welt unter sich vorbei ziehen zu lassen. Super!

Wieder unten rufe ich den Shuttlebus an, wir kurven nochmal kurz am Musem of Modern Pop Culture (MoPop) vorbei, dessen zerknitterte Außenhüllte heute Abend besonders schön leuchtet.

Im Hotel stellen wir nur kurz die Rucksäcke ab, weitere 700 Meter Fußweg entfernt wartet ein Thai-Restaurant mit fantastischem Red Curry sowie Phad Thai, beides mit Prawns auf uns. Wir genießen die Belohnung des Tages, dann geht es zurück aufs Zimmer. Gabi ist ko, ich importiere und verschlagworte immerhin noch die Fotos, dann ist um 22:00 Uhr auch für mich Feierabend.

Hui, war das ein Tag! Die vielen Eindrücke werden wir so schnell nicht vergessen.

Tagesetappe: 16,3 Kilometer zu Fuß
Übernachtung:
Silver Cloud Inn***, Seattle, WA

"Schlaflos in Seattle ..."


Gabi im Silver Cloud Inn Lake Union, Seattle, WA

… heißt einer der Lieblingsfilme von Gabi und da ist es kein Wunder, dass sie die erste Nacht in der Stadt ganz im Nordern des Nordwestens unter dieses Motto stellen musste. War aber auch klar - ist ja immer so, die Zeitumstellung ist halt heftig.

Aber von vorne: „We’re back in the US“! Wie schön - endlich Urlaub. Und zum allerersten Mal seit unserem allerersten Besuch in diesem riesigen Land, das uns so gepackt hat, gibt es ausschließlich „Neuland“ zu sehen. Den Nordwesten kennen wir überhaupt noch nicht. So haben wir auch ziemlich an der Route gebastelt, die aber nun seit einigen Wochen steht und wir freuen uns auf die kommenden 21 Tage.

Erneut der Vorsatz: wirklich Urlaub machen! Erholung ist dringend nötig und so haben wir bei der Planung sehr darauf geachtet, dass die Fahrstrecke nicht so lang wird. Der Reiseführer, an dem wir uns grob orientiert haben, sah gleich die doppelte Strecke, dann aber auch jede (!) Nacht in einem anderen Bett vor. Aus dem Alter sind wir raus. Wir lassen es deutlich gemütlicher angehen, auch wenn dann andere, sicher auch interessante Dinge diesmal ausgelassen werden. Wir müssen uns ja in der Tat nichts mehr beweisen und die Fülle an großen Nationalparks mit spektakulären Dingen fehlt hier ohnehin. Hier geht es mehr um Landschaft und mal wieder den „Wilden Westen“ - der hier insbesondere auch mit seiner unseligen Vertreibung der Indianer verknüpft ist. Das wird uns sicher immer wieder mal begegnen. Ich sage nur „Chief Joseph!“

Zum Urlaub gehört aber auch, die „Büroarbeit“ an der Website einzuschränken. Mein Vorsatz: die Fotos werden nicht mehr aufwändig beabeitet, das kann ich im Winter immer noch machen. Und die Tagebucheinträge werden vielleicht wirklich mal etwas knapper ausfallen? Mal sehen - heute noch nicht. Das Gestalten der Website macht mir ja wirklich viel Spaß und wir genießen es immer wieder, auf unsere Berichte der vergannenen zurück zu schauen. Wo der Spaß aufhört und die „Arbeit“ anfängt, werde ich nun die Notbremse ziehen - so der Vorsatz.

Die Anreise war wie so oft: Frau van Horn fährt uns um 03:30 Uhr zum Airport Düsseldorf, online-check-in war erledig. Nach der Hetze letztes Jahr haben wir in Frankfurt diesmal deutlich mehr Zeit (3:50), der Zubringerflug aus Düsseldorf um 06:05 Uhr hat uns im Gegensatz zum vergangenen Jahr aber auch pünktlich hin gebracht. Diesen kurzen Flug haben wir komplett verschlafen.

In Frankfurt passt immer einer auf das Handgepäck auf, der/die andere dreht seine Runden in dem ewig langen Terminal. Da ist Oktoberfest und es gibt überall was zu sehen. Außerdem wollen die 10.000 Schritte absolviert und die Trainigsminuten auf der Apple-Watch etc. ja auch zu ihrem Recht kommen. Bewegung soll auch in diesem Urlaub nicht nur nebenbei stattfinden.

Die Zeit vergeht erstaunlich schnell und so sitzen wir bald in der Boing 747-400. Um 10:55 Uhr geht es los. Auch ne Riesenkiste - der Service von Lufthansa ist wie immer perfekt. Auch hier schlafen wir mehr als in den Vorjahren, mit dem Alter kommt die Weisheit (grins). Ich gucke zwei deutsche Filme, einer grottenschlecht („Mängelexemplar“ - kann ich nur vor warnen), der andere (Steig! Nicht! Aus!) immerhin spannend, aber auch eher ein „B-Movie“. Auf dem Rückflug nehm ich wieder Hollywood. Dafür sind die Blicke aus dem Fenster auf Grönland und die Eisschollen spektakulär!

leider verpassen wir zu Hause die „Whiskyfair 2019“ im Adlersaal. Unsere Gedanken sind bei Micha und Tim sowie den „Fine Spirits“ - nächstes Jahr planen wir sorgfältiger - versprochen!

Um 12:00 Uhr mittags (also nach nur einer Stunde - hihi) setzen wir in Seattle auf, sind eine Stunde später eingewandert und haben unsere Koffer. Das diverse Schlangestehen kennen wir ja schon und die Automaten bei der Eingabe der Formalitäten, Fahndungsfoto und Fingerabdrücken sparen echt Zeit.

Bei Alamo die nächste Schlange - dafür haben wir die Auswahl zwischen 3 Midsize-SUV. Der Jeep sieht nicht gut aus, der Hyundai Sante Fe ist ok - aber da ist ein Mazda CX-5!! Den schnappen wir uns. 8.000 Meilen alt, schwarz, super ausgestattet und ich freu mich wie Bolle, quasi „wie zu Hause“ agieren zu können. Das ist ein Hauptgewinn. So ist die Fahrt zum Hotel auch völlig mühelos.

Wir checken um 14:45 Uhr ein - das Zimmer ist riesig. Neben den gerade nach einem so anstrengenden Flug nötigen zwei Riesenbetten bieten die hier auch ein im Preis inbegriffenes Parkhaus und einen kostenlosen Shuttle-Service in die Stadt an - drei Kriterien, die für uns wichtig waren.

So sitzen wir nach einer Stunden „ankommen“ auch schon in diesem Shuttle und lassen uns zum Seattle Center chauffieren. Das Wetter ist wie angekündigt: sehr bewölkt, alles grau in grau - derzeit aber noch fast ganz trocken.

Wir steigen an der Space Needle aus - hochfahren wird sich bei dieser Sicht und 37,50 $ p.P. nicht lohnen. Ich zücke meine Nikon für das erste Foto, da spricht mich auf der grünen Wiese einer an: „Guck mal, wir haben die gleiche Kamera! Möchtest du mal mein 10 mm Fisheye ausprobieren?“ Und zack: das erste „richtige“ Foto dieses Urlaubs kommt mit dem Fremdobjektiv daher - so sind sie halt, die Amerikaner. Wir fachsimpeln etwas, er hat sogar noch eine analoge Kamera (mit Film!) und ein riesiges Nikkor 300-600 mm dabei.

Die nächsten Stunden streunen wir rund um die Space Needle herum. Es ist Samstagmittag und überall sind Familien mit Kindern unterwegs. Spielmöglichkeiten gibt es hier wie Sand am Meer, richtig gut. Uns zieht das MoPop in seinen Bann - das Museum of Modern Pop Culture (MoPop). Es ist ein beeindruckender Bau mit einer Hülle wie aus zerknülltem Papier, aber Alumäßig in allen Farben schillernd. Mitten durch den Komplex kommt die Monorail gefahren (Foto!). Wir gehen in den Shop und die Lobby - hier dreht sich alles um die Popmusik und Filme. Auch von innen: wahnsinnige Architektur! Das Museum wäre sicher auch interessant, schließt aber gleich.

So drehen wir noch eine Runde um den Block, der Nieselregen nimmt etwas zu. Bei mir geht es aber immer noch ohne Jacke. Da ist eine Kirche und um 18:00 Uhr beginnt das Glockenspiel zu läuten. Den Song kennen wir doch? Ist nicht wahr!? Wollen die uns auf den Arm nehmen? Versteckte Kamera?? Da schleichen zwei Gestalten aus good old germany die Straße entlang, versuchen den Jetlag zu verdrängen und was machen die Amis? Sie spielen für uns die deutsche Nationalhymne! Da ist Haltung gefragt - wir sind sprachlos.

Was nun? Zurück ins Hotel und dann nochmal los was essen? Quatsch - dafür sind die Möglichkeiten hier einfach zu gut. Allein im Seattle Center ist ein Foodcourt mit 10 verschiedenen Eateries. Mexikanisch soll es sein und so lassen wir uns Shrimps in scharfem Bierteig frittieren, die dann in Tacos (Gabi) sowie einen Burrito (Jürgen) gepackt werden - zusammen mit den unausweichlichen schwarzen Bohnen, Reis, Salat, Salsa, Gemüse etc. Dazu eine Margaritha und ein gezapftes Bier - papsatt!

Inzwischen regnet es heftig, ich rufe im Hotel an und 15 Minuten später sitzen wir wieder im Shuttlebus. Auf dem Zimmer überspiele ich noch die Fotos, mehr geht aber nicht mehr, Bier und Margaritha haben uns den Rest gegeben. Gabi schläft schon und weiß, dass sie in wenigen Stunden schlaflos sein wird - mir wird es genau so gehen und daher verschiebe ich diesen Bericht etc. auf die frühen Morgenstunden des nächsten Tages - passt.

„Schlaflos in Seattle“ - toller Film und für uns der Beginn eines hoffentlich ebenso tollen und erholsamen Urlaus mit vielen schönen Erlebnissen - seid ihr dabei?

Tagesetappe: 8.444 Kilometer geflogen, 27 Kilometer gefahren, 12,3 Kilometer zu Fuß
Übernachtung:
Silver Cloud Inn***, Seattle, WA
© 2018 Gabi & Jürgen