Tagebuch




"Go north!"


Gabi in der Front Street, Coupeville, Whidbey Island, WA

Nach dem 27. Aufwachen mache ich die Website fertig, was insbesondere das Tagebuch betrifft. Die Fotos kriege ich noch in Etwa gemanaged abends, für geistige Tätigkeiten reicht die Kraft noch nicht.

Mein Früstück habe ich mal fotografiert, weil ich das so lecker fand. Anschließend gibt es mit Obst, Müsli und Joghurt zumindest noch was Gesundes oben drauf. Gabi studiert immer die örtlichen Prospekte, Stadtmagazine etc. So wundert es mich kein bischen über ihre Frage beim Frühstück: „Liegt Freemont eigentlich auf unserem Weg heute - da wohnt ein Troll unter einer Brücke?“ Es spricht für mich, dass ich nur mein iPhone zücke, kauend nicke und nicht weiter nachfrage - die Sache ist geritzt: wir besuchen den Troll.

Vorher muss aber noch einer der Aussichtspunkte mit einem bekannten Blick auf Seattle angefahren werden: Kerry Park. Es sind nur einige Meilen vom Hotel hoch auf den Hügel. Es war uns gestern schon aufgefallen im Shutlebus, heute kann ich bestätigen: an manchen Stellen kann Seattle bezüglich der Straßensteigungen tatsächlich mit San Francisco mithalten. Junge, ist das steil!

Am Kerry Park treffen wir zwei deutsche Jungs, denen ich kurz den Hinweis gebe, dass es nicht die beste Idee ist, die Nikon dauerhaft im manuellen Modus zu betreiben - jedenfalls nicht, wenn man anfängt zu fotografieren. Ich mache ein paar Bilder für sie und einer der beiden lichtet auch Gabi und mich mal ab. Dieser Blick wird übrigens auch bei Grey’s Anatomy ständig gezeigt. Und das Wohnhaus der Greys (das Filmwohnhaus) liegt nur 5 Minuten Fußweg von hier. Das schenken wir uns aber, unspektakulär und in Privatbesitz. Ich würde mich auch bedanken, wenn ständig Touristen bei mir vor der Haustür stehen und Fotos machen, nur weil die Fassade mal im Fernsehn war. Die einzige Ausnahme habe ich 2012 bei der Garage von Steve Jobs gemacht: da konte ich nicht wiederstehen.

Nun aber zum Troll: Navi einstellen und ab geht’s. 10 Minuten später sehen wir ihn sitzen. Imposante Größe und irgendwie nett, wie er da unter der Freemont Bridge sitzt. Gabi und Tiny Little Bear, der uns natürlich wieder begleitet, wollen mit auf’s Bild.

Durch ein paar schmale Seitenstraßen, in diesem hübschen Wohnviertel, geht es auf die Schnellstraße und schon bald rollen wir hinab zum Hafen von Mukilteo zur Fähre. Der Mann am Kassenschalter fragt, ob ich die Person neben mir mitnehmen möchte (er fragt, um den Preis festzulegen). Als er mein dummes Gesicht sieht, lacht er schallend und meint, dass ich wohl nie darüber nachgedacht habe, dass es eine Option wäre, sie einfach hier zu lassen? Komischen Humor hat der Kerl - wir lachen über die Situationskomik aber alle drei herzlich. Also 16,50 $ für das Auto und uns beide. Er sagt noch „perfect timing, lane 11!“ dann fahren wir in Reihe 11 vor.

Und tatsächlich: nur 3 Minuten später setzen sich Reihe 1 und 2 in Bewegung: boarding! Unfassbar, wie schnell hier hunderte von Autos auf die Fähre fahren, große Trucks inklusive. Nach 10 Minuten legt die Fähre ab. Wir stehen in Poolposition sehr schräg an der Seite, können von hier aber schön Fotos machen. 20 Minuten Fahrt, dann sind wir auf Whidbey Island. Entladen geht noch schneller.

Die Gegend hier ist voll von Fjorden und Inselchen. Whidbey Island ist etwas größer, die Orientierung ist aber einfach. Nach Norden führt nur eine Straße und wir fahren gemütlich durch eine wunderschön hügelige Landschaft. Viel Wald, immer wieder Blicke aufs Wasser und kaum Orte. So schön!

In Coupeville an der Penne Cove suchen wir einen Parkplatz und schlendern über die Front Street, vorbei an netten Läden, auf einen alter historischen Pier. Den laufen wir bis zum Ende - hier gibt es weitere Geschäfte und Restrooms. Draußen am Pier hängt eine große Glocke, die man läuten soll, wenn mal einen Wal sieht - wir klingeln nicht. Dafür lachen wir über das Schild, dass vor den kreuzenden Ottern warnt.

45 Minuten Aufenthalt und Beine vertreten sind gut investiert für das kleine Örtchen. Dann heißt es wieder: „Go North!“ Ein Safeway Supermarkt am Wegesrand kann nicht ignoriert werden. Wir machen unseren ersten Einkauf. Wasser muss her, Nachos und Salsa, Obst für unterwegs, Zewa-Rolle, Wein - was man in den nächsten Tagen halt so benötigt. Und ein paar Sandwiches für gleich. Immer wieder schön, in diesen riesigen Supermärkte zu schauen, was man noch kaufen könnte. Besonders sehenswert ist dabei die riesige Auswahl an bereits vorkonfektionierten Mahlzeiten (viel, viel doller als bei uns) und die Qualität sowie die günstigen Preise für Fleisch und Seafood (wäre das bei uns so, würde der Grill gar nicht mehr ausgemacht). Steaks wie gemalt!!

Am nördlichen Ende von Whidbey Island befindet sich der Deception Pass State Park mit unzählichen Wandermöglichkeiten. Wir entrichten die Gebür von 10,00 $ und fahren zur West Beach, wo wir uns auf einen der riesigen Baumstämme am Strand setzen und unsere Sandwiches verspeisen. Dann wandern wir den „Sand Dune Interpretive Trail“ entlang - knapp 2 Kilometer Weg zunächst durch Regenurwald, dann am Wasser entlang durch die Dünen. Viele Vögel sind zu sehen.

Kurze Weiterfahrt zur Deception Pass Bridge. Auto abstellen und zunächst Bilder auf, anschließend unter der Brücke vom der beeindruckenden Stahlkonstruktion machen. Da ich die Bilder gestern Absnd schon hochgeladen hab weiß ich jetzt schon, dass Johanna das Bild unter der Brücke sehr mag - danke für die Mail (und all die anderen lieben Nachrichten aus der Heimat - schön, dass euch die Berichte und Bilder wieder gefallen)! Es lohnt sich ja doch, etwas Mühe in die Bildbearbeitung zu setzen - das war schon ziemlich duster da; sieht man auf dem Foto jetzt nicht mehr. Und Johanna: du hast die Bilder von gestern bereits gesehen - Gabi nicht!

Auch hier warten diverse Trails; wir entscheiden uns für den „Goose Rock Perimeter Trail“. Sehr gut, nach der Hälfte aber extrem unwegsam. Wir machen eine weitere Kurzausbildung zur Bergziege und klettern den steilen, schmalen Pfad hinauf - Tiefblicke aufs Wasser inbegriffen. Oben geht es irgendwo nicht mehr weiter und wir finden glücklicherweise einen alternativen Weg zurück, ohne den ausgesetzten Hang wieder runter zu müssen - das wäre nicht spaßig gewesen. Das Licht schwindet langsam und der Wald ist wirklich wild gewachsen. Wenn jetzt jemand den Soundtrack von „Jurassic Park“ abspielt, fang ich an zu rennen.

Tolle Wanderung - jetzt sind wir aber richtig platt. Weniger körperlich aufgrund der Wanderung, aber der Jetlag sitzt immer noch in den Knochen - wir werden älter.

Über Hwy #20 und die Interstate 5 erreichen wir Bellingham um 17:30 Uhr im schönsten Abendlicht. Das Bett ruft heftig. Einfach schnell ne Pizza holen, ein Glas Wein dazu und dann schlafen gehen? Zu früh!!!

Es wäre auch zu schade, der Stadt überhaupt keine Chance zu geben. Also rein ins Auto, wir fahren zur Waterfront. Hier muss man Seafood essen, meinen wir. Schnell ist das „Loft Seafood Restaurant“ gefunden und ich muss sagen: das Essen war sensationell. Man muss sich auch mal was gönnen - Gabi nimmt Seafood mit Mac’n Cheese, ein sehr würziges Nudelgericht. Ich bin mit „Seafod Chimichanga“ zumindest sprachlicher noch exotischer. Es handelt sich um ein mexikanisch inspiriertes Gericht. Seafood in einer Käsesoße eingerollt in einen krisp gebackenen Maistaco. So eine Mischung aus Burrito und Calzone, wenn ihr wisst, was ich meine. Dazu leckere Soßen und ein großer Salat. Köstlich!! Der Blick auf den Jachthafen und den Sonnenuntergang tun ein Übriges.

Als wir fertig sind, ist die Sonne untergegangen und ich schieße noch ein paar Fotos für die Seele. Nun aber zurück ins Motel. Gabi tut so, als sei sie noch wach - schlechte Schauspielerin. Ich suche noch die Fotos aus und lade sie hoch. Um 21:20 Uhr ist es aber auch für mich vorbei. Sendeschluss. Die Nächte werden nun immer besser und das Tagebuch von gestern ist jetzt auch fertig. Ein neuer Tag kann kommen!

Und mir fehlte bis jetzt der Titel für diesen Tag, ich nehme einfach „Go north!“, denn das war das Motto gestern und Bellingham ist der nördlichste Punkt der USA, den wir bislang erreicht haben.

PS: Ich ordne die Fotos systematisch und ortsbezogen zu. Daher finden sich immer wieder auch mal Bilder am „Vortag“, weshalb man dort auch hin und wieder vorbei schauen sollte. Die Bilder vom Kerry Park und Troll sind z.B. noch unter „01 Seattle“ zu finden, das Album von gestern beginnt an der Fähre nach Whidbey Island …

Tagesetappe: 195 Kilometer gefahren, 16,3 Kilometer zu Fuß
Übernachtung:
Coachman Inn, Belingham, WA
© 2018 Gabi & Jürgen