Tagebuch




Huffin' and Puffin'


Gabi auf dem Valley Loop Trail, Mount Howard, Eagle Cap Wilderness, OR

Komischer Titel? Finde ich gar nicht - hätte aber heute morgen auch noch nicht gewusst, was das bedeutet …

Wir lassen es zunächst ruhig angehen heute morgen, denn es ist Sonntag. Der Name passt, denn die Sonne scheint ihren Job zu machen - zumindest hier unten im Tal. Regenaussichten für heute: 0,0 %, das passt uns gut. Nach einem stärkenden Frühstück ziehen wir uns etwas wärmer an, denn heute soll es in die Höhe gehen.

Aufbruch - und erster Stopp: Joseph! Ihr erinnert euch? Der „Chief“, nach dem der kleine Ort hier benannt ist. Bei Sonnenschein und blauem Himmel kommt die Mainstreet doch gleich viel netter daher als gestern Nachmittag. Beeindruckend sind vor allem die vielen künstlerischen Statuen, die hier auf jeder Straßenecke stehen. Chief Joseph ist häufiger dargestellt. Ein Blick in eine der trostlosen Seitenstraßen: da laufen doch glatt Rehe (Mule-Deer) über die Fahrbahn …

Auf der Fahrt zum Wallowa State Park halten wir kurz am gleichnamigen See, die Landschaft ist zu verlockend. Hier oben ist auch ein Indianerfriedhof, auf dem u.a. Chief „Old Joseph“ beigesetzt ist, der Anführer, von dem „unser“ Chief Joseph die Ämter übernahm. Besinnliche Grabstätte mit einigen Federn von Besuchern - der außer uns einzig anwesende andere Besucher echauffiert sich, dass am Fahnenmast noch nicht mal die Stars & Stripes wehen - ich pflichte ihm bei; im Ort hingen ja genug Flaggen herum.

Obwohl die Bergspitzen noch sehr im Nebel hängen, fahren wir mit der Tramway hinauf auf gut 8.200 Fuß, das sind 2.500 Meter über NN. Hui, ist das frisch hier: 30 Grad Fahrenheit bedeuten minus 1 Grad Celsius! Dazu immer noch Nebel.

Wir beschließen, ein „11-Ührken“ zu trinken und geben der Sonne damit eine weitere Chance. Bier aus der bekannten Brauerei von gestern für mich und ein Rotwein für Gabi - da kommt eine ältere Dame zu uns an den Tisch, möchte uns unbedingt fotografieren und ihre Lebensgeschichte erzählen. Glück mit dem Foto (ist gut geworden), eher Pech im Leben (Sportverletzung - Titanfußgelenk). Auf dem Mount Howard sind wir hier - erinnert ihr euch? Gestern den Bericht gelesen? Ich finde das schon bezeichnend, dass man den riesigen Berg nach dem Gerneral und den kleinen Ort zu seinen Füßen nach dem „Chief“ benennt, der sich ihm ergeben musste. Das dürfte m.E. auch anders herum sein.

Nun hilft nur noch Bewegung: also raus und rauf auf den Valley Loop Trail, der so viele spektakuläre Aussichtspunkte bietet - die aber allesamt nebelverhangen sind. Nur hin und wieder zieht es für wenige Sekunden etwas auf - aber nur etwas. Damit das alles nicht zu langweilig wird, beschließen wir uns zu verlaufen. Also dramatisch war das nicht - anstrengend schon. Sehr sogar. Wir wuchten unsere Astralkörper nämlich völlig unnötige 200 Höhenmeter steil nach unten, um sie später den gleichen Weg wieder hinauf zu hieven. Der „Valley Loop“ wäre aber auch zu kurz für uns gewesen.

So bringen wir es auf 5 km in 1:45 Std. Klingt langsam, ist es auch. Die Luft hier oben ist einfach zu dünn und obwohl wir es ja wissen, beruhigt es uns sehr, als uns später eine Infotafel darüber aufklärt, dass unsere Lungen hier Hochleistungen vollbringen. Tun unsere Herzen auch, die pochen bis in den Hals. Uff - huffin’ and puffin’ eben - schnaufen und prusten!

Nach einem netten Smaltalk mit einer ebenfalls ausgepumpten Wanderin fahren wir wieder hinunter. Der Kerl an der Bergstation möchte unsere Tickets einbehalten - ich hätte die aber gerne als Souvenier. Geht nicht, sagt er. An den Karten würden sie abends immer zählen, ob auch alle Gäste wieder unten sind. Wir steigen in die kleine Godel und sehen, wie er auf das Whiteboard unter „lost“ (verloren) eine „2“ einträgt und schon reicht er uns die Karten grinsend durchs Fenster. Lieb sind die hier.

Unten ist es merklich wärmer- so was gegen 15 Grad Celsius. Die Sonne tut gut und wir fahren zum nahen State Park, machen einige Bilder von den farbenfrohen Bäumen und den Lachsen, die gerade hier im Fluss laichen. Dann finden wir in der Nähe des oben erwähnten Friedhofs die unaussprechliche „Iwetemlaykin State Heritage Site“ mit einem wunderbaren Trail, der uns durch goldene Felder zu einem kleinen Tümpel führt, das bunte Herbslaub bietet einen tollen Kontrast zum blauen Himmel - traumhaft!

Hunger! Auf, zu unserer Brauerei von gestern, da gab es noch Dinge auf der Bier- und Speisenkarte, die probiert werden wollen. Heute sitzen wir im Biergarten. Bei den genannten Temperaturen geht das mit Jacke - solange die Sonne scheint. Herrlich! So leckeres Bier! Es ist hier überall üblich, das sie nicht nur die Geschmäcker genau beschreiben, sondern neben dem Alkoholgehalt (der von 4,x bis durchaus 10,x % variieren kann) auch die „IBU’s“ angeben, die „International Bitterness Units“. Daran kann man erkennen, wie gehaltvoll (und hopfig, bitter) das Bier schmeckt. Gestern hatte ich 19, heute 45 - es gibt auch über 80 …

Gabi nimmt Cider und Pasta „Cajun“ (schön scharf) mit geräuchertem Lachsfilet. Ich muss die Nachos mit Käse, Jalapenos, Bohnen und Salsa probieren und bekomme eine Riesenportion, die ich nur zur Hälfte schaffe - die andere steht jetzt hinter mir auf dem Kühlschrank in einer Box.

Bevor das Essen kommt fragt Gabi, ob „Cider“ eigentlich „Äppelwoi“ sei. Da habe sie nicht ganz unrecht, meine ich und schon spuken Frau Widdin, Herr Schenk und das gemeinsame Faktotum „Herr Nonsens“ bei uns am Tisch rum. Gut, dass da das Essen kommt, weg mit euch „Plagen unserer Kindheit …“

Gegen 17:00 Uhr sind wir wieder am Motel. Wir beschließen eine verspätete Mittagspause und machen „große Wäsche“. 1,50 $ für die Waschmaschine, der gleiche Betrag für den Trockner und 1,00 $ fürs Waschmittel. Praktisch - jetzt ist alles wieder sauber. Gabi ruht eine Runde, ich ziehe mir 2 Folgen „Grey’s Anatomy“ rein. Dann machen wir uns über die Fotos und das Tagebuch her und jetzt ist es 21:30 Uhr und alles fertig.

Morgen geht unser kleines Abenteuer weiter - wir freuen uns!

Tagesetappe: 55 Kilometer gefahren, 12,6 Kilometer zu Fuß
Übernachtung:
Eagle's View Inn & Suites, Enterprise, OR

Winding, windy road to Enterprise


Gabi auf dem Hwy. #3 bei Enterprise, OR

Es hat etwas geregnet letzte Nacht. Nach dem Frühstück mit Waffeln, Omelettes und Burger Patties machen wir uns auf die Socken.

Schnell schiebt sich die Straße in die Höhe, zunächst durch Wald (sehr schön!), dann liegen wieder diese endlosen hügeligen, goldenen Stoppelfelder vor uns. Verrückt! Das sieht eigentlich aus wie ein einziges Feld bis zum Horizont. Leider regnet es wieder etwas, Fotos fallen aus. So erreichen wir Lewiston und machen einen kurzen Fotostop an einem Aussichtspunkt oberhalb der Stadt. Weite Sicht, etwas ruppiges Wetter.

Das wird auf der Weiterfahrt nicht besser, ganz im Gegenteil. Wind frischt auf und zerrt am Auto. In Fahrtrichtung wird alles ziemlich grau und es sieht fast so aus, als sei da vor uns ein Tornado. Rollbüsche fegen über die recht einsame Straße, einige begehen Selbstmord, indem sie sich genau vor unser Auto stürzen und überrollen lassen. Spooky! Dann setzt auch noch heftiger Regen ein.

Die Straße wird viel bergiger, als wir vermutet hatten. Endlose Serpentinen bis auf knapp 4.000 Fuß Höhe, dann wieder komplett runter und wieder hinauf, diesmal auf über 4.800 Fuß. Der Regen hört irgendwann auf, sie Kurven tun das nicht. Und windig ist es immer noch - Gabi fegt es fast vom Felsen, als ich das Foto mache.

So erreichen wir ohne viel Aufsehen um 14:30 Uhr Enterprise in Oregon. Hier werden wir zwei Nächte bleiben - das ist gut, denn die Wallowa Mountains sind ein beliebtes Wandergebiet. Wir hoffen auf gutes Wetter, dann ist morgen vielleicht sogar eine Auffahrt mit der Seilbahn drin.

Nun werden wir uns noch mal aufmachen und eine Runde drehen. Bewegung muss her und dann später ein Abendessen. Die örtliche Brewery wird empfohlen - na dann wollen wir doch mal sehen.

Da es wieder leicht regnet fahren wir aber erst mal ins 6 Meilen entfernte Joseph. Hier bummeln wir über die Mainstreet - viel los ist derzeit nicht. Wegen des Wetters mache ich heute auch keine Fotos mehr. Wenn es morgen besser wird, dann kommen bestimmt auch Bilder vom Indianerhäuptling Chief Joseph auf die Website.

Was hat es mit Chief Joseph auf sich? Dazu habe ich mal aus dem Netz das Wesentliche zusammen gestellt, denn es spielt eine Rolle - fahren wir in diesen Tagen doch genau durch die Berge, durch die der Fluchtweg der Indianer seinerzeit führte:

Chief Joseph oder Hinmaton-Yalatkit (Donner-der-den-Berg-herunter-rollt), geboren am 3. März 1840; gestorben am 21. September 1904, war der Häuptling der Wal-lam-wat-kain-Gruppe der Nez-Percé-Indianer aus dem Wallowa-Flusstal im nordöstlichen Oregon (meist als Wallowa-Indianer bezeichnet). Er machte sich gegen Ende der Indianerkriege während des Nez-Percé-Krieges einen Namen als kluger Taktiker.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts drangen immer mehr weiße Siedler in den Lebensraum der Nez Percé ein. Die US-Regierung ließ die Nez Percé umsiedeln und ihr fruchtbares Gebiet für die Besiedelung durch die Weißen freigeben.

Chief Joseph war weder ein Oberhäuptling, noch hatte er den Rang eines Kriegshäuptlings. Neben ihm gab es zum Zeitpunkt der bevorstehenden Umsiedlung 1877 noch andere Häuptlinge im Tal sowie insgesamt rund 1.000 Leute mit über 200 Kriegern. Über Krieg und Frieden bestimmten die bewährten Krieger. Das Machtgefüge der Indianergruppe war so kompliziert wie die US-amerikanische Bürokratie, die sich seit Ende 1872 mit ihrer Umsiedlungsfrage beschäftigte.

Die Nez Percé wehrten sich gegen die geplante Umsiedlung und wollten unter Josephs Leitung nach Kanada fliehen. Am 6. Juni 1877 brachen sie auf. Unterwegs kam es immer wieder zu Kämpfen mit US-Truppen, die der US-Armee mehrere Niederlagen einbrachten. Die Flucht zog sich über vier Monate und 2.400 Kilometer quer durch die Bundesstaaten Oregon, Wyoming, Idaho und Montana hin, brachte 123 Soldaten und 55 Zivilisten den Tod und kostete die Armee damals 931.329 Dollar. Zivile Schäden und Verwundete wurden nicht eingerechnet. Die Nez Percé zählten etwa 100–120 Tote, darunter Josephs Bruder Ollokot, Toolhoolhoolzote und Looking Glass.

Erst ein bis zwei Tagesritte (40 Meilen) vor der kanadischen Grenze kapitulierte Chief Joseph am 5. Oktober 1877 in den Bear Paw Mountains vor General Oliver Otis Howard und Oberst Miles, da seine Leute nur unter Zurücklassung der Verwundeten, alten Frauen und Kinder hätten fliehen können. Etwa 430 Nez Percé gingen in Gefangenschaft. Etwa 50 Leute entkamen in der Nacht vor der Kapitulation nach Kanada. Insgesamt fanden etwa 200 Nez Percé bei der Lakota-Gruppe von Sitting Bull im kanadischen Exil Zuflucht.

In den folgenden Jahren kam es zu mehreren behördlichen Teilungen der Gruppe und zur Zusammenführung mit den aus Kanada zurückkehrenden Nez Percé. Vor allem kostete die Ansiedlung im Indianerterritorium von Oklahoma 1878/79 etwa 130 Leben (Malaria), obwohl Chief Josephs Gruppe dort im vorteilhaftesten Landstrich angesiedelt wurde. Chief Joseph trat nun in Verhandlungen, um eine Rückkehr in den Norden zu bewirken, so zum Beispiel 1879 vor dem Kongress. Er erreichte nichts. Erst 1885 wurde ein Teil der Nez Percé an den Columbia-Fluss in Idaho verlegt, der andere Teil nach Colville in Washington. Dort starb Chief Joseph am 21. September 1904; gemäß seinem Arzt an gebrochenem Herzen.

Sein berühmtestes Zitat stammt vom 05.10.1877, dem Tag, als er sich General Howards Truppen ergab:

„Sagt General Howard, ich weiß, was ihn bewegt. Was er mir bereits gesagt hat, habe ich in meinem Herzen. Ich bin des Kämpfens müde. Unsere Häuptlinge wurden getötet. Looking Glass ist tot. Too-hul-hul-sute ist tot. Die Alten sind alle tot. Die jungen Männer haben nun das Sagen. Jener, der sie einst führte, ist tot. Es ist kalt, und wir haben keine Decken. Die kleinen Kinder erfrieren. Einige meines Volkes sind weggelaufen in die Berge. Sie haben keine Decken und nichts zu essen. Niemand weiß, wo sie sind – vielleicht erfrieren sie gerade. Ich will Zeit, um nach meinen Kindern suchen zu können und um zu sehen, wie viele von ihnen ich noch finden kann. Vielleicht finde ich sie unter den Toten. Hört mich, meine Häuptlinge! Ich bin müde. Mein Herz ist krank und traurig. Vom jetzigen Stand der Sonne an will ich nie mehr kämpfen.

Wenn der weiße Mann in Frieden mit den Indianern leben will, so kann er das. Gebt allen Menschen das gleiche Gesetz. Gebt allen Menschen die Möglichkeit, zu leben und sich zu entwickeln. Alle Menschen wurden vom großen Geist erschaffen und alle sind Brüder.“

So war das und es erscheint mir wichtig, das hier nicht unerwähnt zu lassen.

Tatsächlich kehren wir auf dem Weg zum Motel in Enterprise dann auch im Terminal Gravity Brewing Pub & Restaurant ein. Gemütliche, kleine Brauerei mit 11 selbstgebrauten Bieren zu sehr vertretbaren Preisen. Dazu mampfen wir die ersten Burger dieses Urlaubs - sagenhaft lecker. Es gibt mehrer kleine Gasträume und in unserem sitzen an 4 Tischen 4 Paare. 2 Seniorenpaare, 2 x hintereinander verschiedene Youngster-Paare um die 30 und das gesegnete Mittelalter - wir zwei beiden.

Und es ist so nett: alle reden mit allen, die sind so aufgeschlossen die Amis, das mögen wir sehr. Eines der älteren Paare hat Wurzeln in Bremen und spricht sogar noch recht gut deutsch. Sie macht ein Foto von uns - das bekomme ich geschickt. Klasse ist das Motto des Ladens: „Middle of nowhere - Center of the universe“

Jetzt folgt ein gemütlicher Abend - bis morgen!

Tagesetappe: 357 Kilometer gefahren, 5,3 Kilometer zu Fuß
Übernachtung:
Eagle's View Inn & Suites, Enterprise, OR
© 2018 Gabi & Jürgen