Tagebuch




Darfs ein wenig Meer sein?


Gabi auf der Fähre Kingston-Edmonds, WA

Da muss ich am Airport SEATAC nachsitzen. Das kommt davon, wenn man am Abend vorher im Pub versackt ist und die Hausaufgaben nicht gemacht hat. Also, so war das gestern:

Bei bestem Wetter brechen wir unsere Zelte in Port Angeles ab. Ich verzichte heute aufs Frühstück, typisch „Super 8 Motel“, zu süß und ein wenig lieblos. Ein letztes Mal tanken wir für den heutigen Tag und rollen dann zu einem weiteren Tip des netten Rangers Matt von gestern: Bei Sequim gibt es das „Dungeness Wildlife Refugee“ mit einer „Spit“, einer natürlichen Sandbank, die weit ins Meer hinaus ragt.

Wir stellen den Wagen ab, unser neuer Annual-Pass gilt auch hier. Prima. Durch dichten Wald geht es eine gute halbe Meile hinaus bis zum ersten Aussichtspunkt. Da liegt sie vor uns, die Spit, die jedes Jahr von ganz alleine etwas (aber auch nur etwas) größer wird. Holz wird angeschwemmt und liegt überall rum - genau so wie die übliche Meeresflora. Aufällig sind vor allem wieder mal die langen Kelp-Stämme mitsamt Blattresten. Die sehen irgendwie alienmäßig aus mit ihrem dicken Bubble-Kopf und den festen, glitschigen Tentakeln.

Matt hat gesagt, dass man hier außerhalb eines Schiffes die beste Möglichkeit hat, Seehunde, Orcas, Wale oder anderes Meeresgetier zu sehen. Natürlich ist das hier auch Vogelschutzgebiet und manche Bereiche bleiben dem Gefieder vorbehalten. Wir lassen uns Zeit, stromern herum und machen Bilder.

Zurück im Wald fallen uns wieder einige fotogene Pilze auf. Nun aber weiter - in Sequim huschen wir kurz ins Safeway und lassen uns frische Sandwiches machen, die wir auf der Weiterfahrt gemeinsam mit einem sehr leckeren, überteuerten Kaffee von Starbucks verputzen.

So errreichen wir gegen 13:00 Uhr Port Townsend, die Hafenstadt mit ihren viktorianischen Häusern in der Oberstadt (kurzer Sprint die steilen Treppen hoch) und ihrem netten Flair an der Waterfront. Schön hier!

Es ist Nachmittag geworden und nach unserer Berechnung könnten wir die Fähre in Kingston um 15:10 Uhr erreichen. Also geht es 45 Minuten Richtung Süden und schon rollen wir auf das Kassenhäuschen zu. Wieder ist alles perfekt organisiert. Die halbstündige Überfahrt über den Pudged Sound kostet für unseren CX-5 und uns beide insgesamt 15 Dollar. Alle Fahrzeuge werden wieder auf einem größeren Parkplatz in Reihen aufgestellt. 15:00 Uhr Boarding - wir waren um 14:55 Uhr dort. Perfekt. Innerhalb von 10 Minuten sind hunderte Autos auf die große Fähre gerollt, wir legen ab.

Wir steigen aus und gehen an Deck. Sehr schöne Aussicht, recht kalter Wind. In Edmonds haben wir nur wenige hundert Meter bis zu unserem „Best Western“. Klasse Zimmer, die Kette hab ich am liebsten. Da sind wir noch nie reingefallen.

Das Wetter ist aber viel zu gut, um jetzt Koffer zu packen. Also raus! Ein Bummel zurück in den Fährenbereich und durch die Downtown steht an. In der Salish Sea Brewery trinken wir gemütlich ein Bier & Cider, als kleine Mahlzeit dazu: nochmal leckere Nachos, die wir uns teilen.

Sonnenuntergang am Meer, da kommt wieder eine Fähre. Direkt um die Ecke ist ein gut gefüllter Pub. Wir haben keine Lust auf Motelzimmer und setzen uns an die Theke. Zu weiterem Bier und Cider gesellen sich Chicken Wings, die wir wieder teilen. Neben uns an der Theke: Darryn, der einsam in seinen Tulamore Dew schaut. Wir beginnen ein Gespräch und ab da ergibt ein Wort das andere. Wir quatschen uns so richtig fest, auch ein Bier ergibt das andere, Darryn lacht schallend über unsere witzigen Episoden von der Reise u.ä. und es ist einfach toll. Am Ende durfte es auch hier etwas mehr sein.

Später auf dem Zimmer geht nix mehr - Augen zu.

Der nächste Tag, die Rückreise:

Die nächtliche Geräuschkulisse war imposant, hier führt eine Bahnlinie vorbei und die sehr gut getakteten Züge kündigen ihre Ankunft und Weiterfahrt stets mit einem Horn an, das jedem Schiffsnebelhorn Konkurrenz macht. Gut, die Fähren tuten auch und das ganze vermischt sich. Wenn dann auch noch morgens um 06:00 Uhr die Müllabfuhr kommt und richtig Radau macht, ergibt das eine ganz besondere Synfonie. Dennoch haben wir recht gut geschlafen und starten entspannt in den letzten Urlaubstag.

Das Frühstück hier ist einfach klasse - typisch Best Western. Gabi packt die Koffer zusammen und sorgt dafür, dass im Handgepäck nur das ist, was mit in die Kabine darf. Ich versorge inzwischen die Fotos von gestern, treffe eine Auswahl, bearbeite diese und baue sie in die Website ein. Hochgeladen wird auch noch, eine letzte Datensicherung und ab dafür.

Die 50 Minuten Fahrt zum Flughafen verlaufen gut. Es regnet und das macht den Abschied etwas einfacher. Noch eine gute Amerika-Erfahrung ist die Erfindung der Car-Pool-Lanes auf den Interstates. Seattle ist bekannt für das morgendliche Verkehrschaos und auch unsere Interstate ist sehr gut gefüllt, zum Teil gilt „stop and go“. Die Bahn ist vier- manchmal auch fünfspurig und wird in der Stadt noch breiter. Wie gut, dass der ganz linke Fahrsteifen nur Autos mit 2 und mehr Personen darin vorbehalten ist. Das scheinen nicht so viele zu sein und wir düsen mit 60 mph am stockenden Verkehr vorbei.

Die Mietwagenrückgabe ist gewohnt kurz und schmerzlos. Das eigentliche Prozedere dauert keine Minute. Auf die obligatorische Frage nach meiner Zufriedenheit lobe ich das tolle Auto und den Service, mache aber meinem Unmut über die Roadside-Assistence-Story mit der Motorwarnleuchte Luft. Wofür eine Versicherung, wenn im Notfall nicht die erwartete Hilfe kommt?

Mit viel Verständnis werde ich an den Schalter verwiesen, wo ich mein Anliegen noch mal erläutern soll. Die 10 Minuten haben wir und ich muss nur erklären, was mir nicht passte - schon wird der gesamte Versicherungsbetrag rückerstattet. Keine Diskussion, die wollen einfach zufriedene Kunden - so mein Eindruck. Mein Vortrag war ja auch schlüssig. Die 163 Dollar können wir gut für anderes einsetzen.

Am Airport Seattle gibt es Live-Musik, hier geben sie lokalen Musikern die Chance, selbst im Sicherheitsbereich zu musizieren - das finde ich nachahmenswert! Für den Rückflug hatten wir mehr Beinfreiheit gebucht und das ist richtig gut. Die 1. Reihe der Economy, direkt hinter der Premium-Economy verschafft uns so viel Platz, dass Gabi Ihre Beine gerade ausstrecken kann, ohne den Vordersitz zu erreichen. Das ist insbesondere dann praktisch, wenn die Vorderleute ihren Sitz nach hinten klappen, was den Sitzkomfort normalerweise ziemlich einschränkt. Wir schauen Filme, lassen es uns schmecken und schlafen.

Der Lufthansa-Transfer von Frankfurt nach Düsseldorf ist diesmal per Zug, unser Gepäck holen wir kurz vor dem Bahnsteig am Lufthansa-Servicepunkt ab - auch sehr entspannt. Lediglich die letzen Kilometer mit dem RE 10 von Düsseldorf nach Nieukerk sind wie immer eine Qual. Wenn ich bedenke, dass ich vor 3 Tagen für die gleichlange Fährenüberfahrt für uns beide inklusive Auto die Hälfte bezahlt habe wie für die Bummel-Kurzstrecke hier, dann stimmt irgendwas nicht mit dem Preisgefüge.

Am Samstagabend folgt dann noch das 50. Clubtreffen der „Fine Spirits“ in der heimischen Whiskybotschaft - ein toller Ausklang.

„The End is near“ hatte Ingrid in ihrer letzten lieben Mail geschrieben und jetzt kann ich sagen: „It’s done!“ Es war ein wunderschöner Urlaub im für uns noch unbekannten Nordwesten. Wir haben unsagbares Glück mit dem Wetter gehabt, was sicherlich ein gutes Teil zu unserer Begeisterung und Erhoung beigetragen hat. Wir hätten durchaus auch mit drei Wochen regnerisch-durchwachsen rechnen müssen. Aber schaut euch nochmal die Fotos an - was hatten wir für ein Glück!

Die Landschaft dort ist atemberaubend schön und die Gegend manchmal noch einsamer als im Südwesten. Deutlich weniger Touristen gibt es hier ohnehin. Uns gefällt es ganz besonders, wenn wir einfach so im amerikanischen Alltag mitschwimmen und das Gefühl haben, dazuzugehören. Das war diesmal definitiv wieder so. Und auch die Breweries mit ihrem vielfältigen Angebot haben Spaß gemacht. Jahrelang habe ich nicht mehr so regelmäßig und „viel“ Bier getrunken. In jeder Hinsicht war das ein klasse Urlaub.

Nun wird in den kommenden Wochen aber der Gürtel wieder enger geschnallt und auch das in jeder Hinsicht. Gute Vorsätze für das winterliche Fitnessprogramm haben wir in den Staaten gefasst und die gilt es nun umzusetzen.

Danke sagen wir allen, die uns „begleitet“ haben. Danke sage ich aber ganz persönlich auch nochmal meiner lieben Gabi. Es ist so unglaublich schön, mit ihr zu verreisen. Unkompliziert ist es, super organisiert bis ins Kleinste und immer lustig. Tiny little Bear hatte auch wieder seinen Spaß.

In diesem Sinne: bis bald - denn den Jahrespass für unsere USA-Reise 2019 haben wir ja schon in der Tasche. Hoffen wir einfach, dass wir alle gesund und munter bleiben …

Tagesetappe: 150 Kilometer gefahren (+ 47 km am 05.10.), 13,4 Kilometer zu Fuß
Übernachtung: Best Western Plus Edmonds Harbor Inn, Edmonds, WA
© 2018 Gabi & Jürgen